Vielleicht liegt es daran dass man älter wird und man immer
denk „ach früher war alles schöner“. Das trifft sicher nicht auf Alles zu aber
doch … ich finde schon auch dass z. B. meine Kindheit wirklich schöner war.
Diese Freiheit, das Gefühl den ganzen Tag draußen zu verbringen und mit Freunden
unterwegs zu sein.
Da
gab es gar kein Handy … die Dinger die man Telefon nannte
waren knallorange, tannengrün oder (sorry) durchfallbraun, hatten eine
Drehscheibe und machten ein einfach unverkennbares Geräusch wenn sich
die Scheibe
zurück drehte. Und vor allem, die hingen mit einem Kabel in der
Steckdose und
es war schon Luxus wenn man die lange Kabelvariante hatte, die bis ins
Kinderzimmer reichte. Super war dabei auch die Annahme eines Telefonats
(nachdem man den Ansatz eines Herzinfarkts aufgrund des Klingelns
überstanden hatte) bei dem das Gegenüber das Gespräch mit den Worten
"Bist Du daheim" startete.
War es bei meinem Sohn noch Nintendo DS sind es jetzt die
Smartphones, die unsere Kinder so anders aufwachsen lassen. Da sitzen dann drei
Kinder nebeneinander, spielen auf ihrem Handy, schreiben sich wahrscheinlich
noch whatsapp Nachrichten aber jeder schön
in seiner eigenen Welt.
Früher hätte man Angst bekommen und sein Kind auf Authismus
oder eine ähnliche Erkrankung untersuchen lassen, heute ist das „normal“.
Auch ich habe meinem Sohn vor ca. 8 Jahren (er ist heute 20)
vorgeschlagen doch mal „Siedler von
Catan“ zu spielen. Erste Frage „Was, das haben wir? Fürn Computer?“. Neeeee,
mit so nem Brett und Spielsteinen und lesen kannst ja auch, deshalb die
Spielanleitung. Äh ja … er hat es nicht
gespielt aber zumindest ist er dann raus Fußball spielen
.
Ich selbst habe als Kind stapelweise Bücher aus der Bücherei
geholt und die Hälfte meiner Sommerferien mit Lesen gebracht. Mein Sohn ist bei
Harry Potter nicht über Seite 20 hinaus gekommen.
Da fragt man sich schon, was man hätte anders machen können.
Wenn ich mich aber daran zurück erinnere wie es bei ihm als Kleinkind war,
denke ich gar nichts. Er hatte viele Bücher, ich hab ihm jeden Tag vorgelesen,
wir haben viel gepuzzelt und gebaut … also von daher … der Vorsatz und Versuch
war zumindest vorhanden.
Mal
abgesehen von unseren Kindern verändern wir uns natürlich
auch. Wir „gehen mit der Zeit“. Wir lassen uns genauso einfangen von
Smartphones, ständiger Erreichbarkeit und durchgängiger Fotomacherei.
Wir sind
auf facebook und instagram, snapchat usw. wird dann mit 5 Videos
hintereinander ausgereizt (verschwinden ja eh bald wieder), wir zeigen
unser Abendessen und die neuesten
Schuhe, wir lesen gerne bei anderen und natürlich wissen wir alle dass
das eben
nur Bilder (zumindest meinen wir es zu wissen) sind. Ob nebendran der
Angetraute aufm Pott sitzt und das Kind die weiße Ledercouch mit Edding
bemalt hat, weiß kein Mensch.
Wir werden manipuliert denn wir können sicher sein, einmal nach
ZUM BEISPIEL einem pinken Lederutensil (lässt sich auch durch Einhorn,
Wasserflasche, Slip usw. beliebig ersetzen) gesucht, bekommt man mit Sicherheit
auf allen Plattformen dieses Teil für die nächsten 97 Wochen angezeigt.
Dieser Einfluss ist nicht zu unterschätzen. Wie klein wird
unsere Welt, wie sehr begrenzt das unseren Horizont, wie soll man noch etwas
Neues entdecken? Wie sehr werden wir durch Fakemeldungen und andere Meldungen z.
B. zu Gewalttaten oder Wahlen beeinflusst?
Können
wir noch differenzieren was ist Fake und was ist real? Stumpfen wir ab
oder erhalten wir uns die Fähigkeit Schicksale als wirklich vorhanden zu
erkennen? Wir freuen uns auf Weihnachten, in Aleppo sterben Kinder. Ja,
überall auf der Erde, aber trifft es uns noch?
Ich finde das tatsächlich bedenklich.
Wir sind vermeintlich so weit entwickelt aber was macht das mit uns?
Ich
für mich merke dass ich mit einer Erwartungshaltung
durchs Leben gehe. Ein Arzt soll mir, am besten sofort, sagen können was
Sache
ist. Natürlich möglichst so, dass es wenig Einfluss auf mein bisheriges
Leben
hat.Wir lassen uns einreden dass es für jeden Käse eine
Vorsorgeuntersuchung gibt ("Frau ..., also Sie sind jetzt über 40, da
sollte man das schon mal machen" ... oh danke auch, war mir nicht
bewusst, dachte ich mit 25 aber okeeeee, bevor ich was übersehe) und man
sollte auch möglichst alles machen (letztens eine Glaukomvorsorge die
mich, für zweimal ins Auge pusten, 20,- Euro gekostet hat).
Versteht
mich nicht falsch, ich spreche nicht von Standardvorsorge, die ist
WICHTIG UND RICHTIG! Aber es wird mit unseren Ängsten und unserem
Kontrollbedürfnis richtig gut Geld gemacht.
Eltern verkommen zu den sogenannten „Helikoptereltern“ (ich
finde den Begriff blöd aber er passt), es wird einem suggeriert dass man immer
und zu jeder Minute wissen muss was Sache ist. Wo ist mein Kind, was macht es
gerade, was ist in meinem Körper los und wie kann ich was möglichst vermeiden
damit ich gesund bin und bleibe? KONTROLLE, das ist es was wir haben möchten,
immer und überall und wenn das einmal nicht möglich ist? Dann bekommen wir
Angst.
Wir sind kaum mehr in der Lage einen Spaziergang zu genießen
weil wir alle 5 Meter das Handy vor die eigene Nase halten und Fotos machen.
Mal abgesehen davon dass ich immer wieder feststelle dass die Fotos anders
aussehen, als ich sie wahrnehme (z. B. bei einem Sonnenuntergang) bleiben sie
mir auch nicht so im Gedächtnis.
Es wird alles „festgehalten“ aber wo bleibt unser Kopf?
Unsere Fantasie? Unsere Wahrnehmung und unsere Erinnerung?
Ich weiß auch heute noch wie meine Oma aussah, obwohl sie
bereits 22 Jahre nicht mehr bei uns ist, ich kann mich an meine Kinderzimmertapete
erinnern, ich habe den Strand von Korsika vor meinem inneren Auge (denn damals
hatten wir eine Digitalkamera die nach 30 Minuten leere Batterien hatte). Die
Liste lässt sich endlos weiter führen.
All das, diese wahnsinnigen Errungenschaften, diese
Weiterentwicklung, das Neue und Moderne, bringt uns immer weiter von UNS SELBST
weg.
Vertrauen wir noch auf unser Bauchgefühl?
Haben wir neben all der Kontrolle noch ein Gefühl für
Leichtigkeit, Unbeschwertheit, Freiheit?
Nehmen wir die Natur, unsere Mitmenschen und Gefühle noch so
wahr, wie sie wirklich sind oder schaffen wir uns das Abbild einer Illusion?
Ich glaube ja.
Früher war man ein einem Konzert, hat ein Foto gemacht (auf
dem eh keine Sau was erkennen konnte) und ist danach voll von der Musik oder
der Darbietung nach Hause gefahren. Man hat sich daran erfreut und sich gern
daran erinnert. Heute scrollt man durch den Fotoorder, überlegt, löschen, ja –
nein und weiter geht’s. Noch mehr, nochmal klick, nochmal das Essen, nochmal
das Buch, die Schuhe usw.
Wie schon gesagt … ich bin da nicht anders aber ich merke
dass ich eins vermisse.
Die Nähe zu mir selbst, das Vertrauen in mich und mein
Empfinden und Menschen denen ich in die Augen und nicht auf die Rückseite deren
Handys schauen kann. Die Gewissheit dass alles gut gehen wird, egal ob mit
Hürden oder ohne, das Fühlen was gut für mich ist. Tatsächlich glaube ich dass
wir das wieder lernen müssen und finde das unglaublich traurig und auch schwer.
Vielleicht ist die Zeit jetzt ein guter Anfang. Schauen wir
uns doch einfach mal wieder in die Augen, versuchen wir in unser Innerstes zu
hören und auf uns zu vertrauen und vielleicht … finden wir uns selbst auch mal
wieder, sagen Hallo, umarmen uns und freuen uns über die einfach hervorragende
Gesellschaft ;-).
Alle Liebe
Eure
Mimi